- Privatisierung: Grundzüge
- Privatisierung: GrundzügeIn den Industrieländern ist staatliche Aktivität nicht auf den Verwaltungsbereich beschränkt. Der Staat ist in vielfältiger Weise auch unternehmerisch tätig. Die Wurzeln der gewinnorientierten Tätigkeit der öffentlichen Hand reichen bis in die Ära des Merkantilismus zurück.Ordnungspolitische BeurteilungIn einer Marktwirtschaft muss öffentliches Unternehmertum in seinen verschiedenen Formen auf begründete Ausnahmen begrenzt bleiben. Wenn der Staat als Unternehmer auftritt, ist oft der faire Wettbewerb gefährdet. Unternehmen im staatlichen Besitz sind gegenüber privaten Wettbewerbern schon aufgrund der Bonität des Eigners privilegiert. Ein Beispiel betrifft die Gewährträgerhaftung der Kommunen für ihre Sparkassen: Durch diese staatliche Garantie wird den Sparkassen die Kapitalbeschaffung im Vergleich zu Privatbanken, die nur auf ihr Eigenkapital zählen können, verbilligt. Die wettbewerbspolitische Problematik wird noch verschärft, wenn ein öffentliches Unternehmen durch Marktzutrittsbarrieren vor der Konkurrenz privater Anbieter geschützt wird, wie dies lange Zeit für die Deutsche Bundespost der Fall war.Öffentliches Unternehmertum wird oft durch Marktversagen gerechtfertigt. Beispielsweise hat man lange Zeit das Monopol der staatlichen Bundespost im Bereich der Telekommunikation mit dem Argument verteidigt, dieser Markt sei ein natürliches Monopol und ein staatlicher Monopolist sei einem privaten vorzuziehen. Inzwischen ist für diesen Markt die These vom natürlichen Monopol aufgrund der Vielzahl der neuen Anbieter nach der Liberalisierung eindrucksvoll widerlegt. Auch struktur- und beschäftigungspolitische Ziele werden zur Legitimation staatlicher Unternehmen angeführt. Hier ist allerdings stets zu fragen, ob es nicht ordnungspolitisch weniger bedenkliche Instrumente zur Erreichung dieser Ziele gibt. Tatsächlich dürfte es sich bei vielen dieser Argumente um Schutzbehauptungen zur Verteidigung von attraktiven Einfluss- und Versorgungsmöglichkeiten für Politik und Bürokratie handeln.Privatisierungswelle seit den 1980er-JahrenDie Überführung staatlicher Unternehmen in Privatbesitz oder der Verkauf staatlicher Beteiligungen wird als Privatisierung bezeichnet. Bei einer Teilprivatisierung verkauft der Staat seine Beteiligung nicht vollständig. Bis auf einige wenige Fälle (Preussag AG 1959, Teilprivatisierung VW 1961 und VEBA 1965) blieb der staatliche Unternehmenssektor nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland bis zu Beginn der 1980er-Jahre im Wesentlichen unverändert. Seither ist eine weltweite Tendenz zur Deregulierung und Liberalisierung festzustellen, die auch verstärkte Privatisierungsbemühungen zur Folge hat (z. B. Verkauf der restlichen Bundesanteile von VEBA 1987, VIAG und VW 1988, Salzgitter AG 1989). In den 1990er-Jahren begann mit dem Umbruch im ehemaligen Ostblock eine bisher einzigartige Privatisierungswelle. In den neuen Bundesländern war es Aufgabe der Treuhandanstalt, die ehemals volkseigenen Betriebe und Kombinate zu privatisieren. Daneben hat sich aber v. a. der Bund durch eine Verringerung seiner westdeutschen Beteiligungen hervorgetan (v. a. Deutsche Lufthansa AG 1994 und 1997, Deutsche Telekom AG 1996 und 1998). Allerdings waren wohl nicht alleine die ordnungspolitische Einsicht, sondern auch Druck von außen (Liberalisierungszwänge des Binnenmarkts) und fiskalische Motive ausschlaggebend für den Gesinnungswandel. So schlugen Privatisierungserlöse in den Bundeshaushalten 1998 und 1999 mit jeweils rund 10 Mrd. Euro zu Buche. Nichtsdestoweniger fällt die gesamtwirtschaftliche Beurteilung dieser Privatisierungspolitik positiv aus. Die Telekommunikation ist dabei der Paradefall: Im Zusammenspiel mit der Beseitigung von Marktzutrittsbarrieren ist durch die Privatisierung hier eine dynamische Wachstumsbranche mit zahlreichen Neugründungen bei starkem Preisrückgang für die Verbraucher entstanden. Im Vergleich zum Bund zeigen sich Länder und v. a. Kommunen noch sehr zurückhaltend.Privatisierung der Produktion öffentlicher GüterPrivatisierung ist nicht auf den Verkauf staatlicher Beteiligungen an gewinnorientierten Unternehmen beschränkt. Eine weitere Dimension der Privatisierung betrifft traditionelle Kernbereiche der nicht gewinnorientierten öffentlichen Verwaltung. Zentral für die Einschätzung des zukünftigen Privatisierungspotenzials auf diesem Gebiet ist folgender Zusammenhang: Im Hinblick auf öffentliche Güter ist strikt zwischen der Finanzierung und der Produktion zu unterscheiden. Hat etwa eine Dienstleistung wie die Straßenreinigung den Charakter eines öffentlichen Gutes, dann ist dies ein Argument für eine öffentliche Finanzierung dieser Dienstleistung, nicht aber unbedingt für eine Produktion durch den Staat. Statt der Straßenreinigung durch öffentlich Bedienstete kann auch ein privates Unternehmen diese Dienstleistung im Auftrag der Kommune übernehmen. Als nicht privatisierbar gelten allgemein hoheitliche Aufgaben wie die Dienstleistungen von Polizei, Justiz und Militär.
Universal-Lexikon. 2012.